Digitale Bildung in der Schweiz. Ein Dreipunkteplan (Digital Doris!!)

An der Schlussveranstaltung des Projektes «Schule im Netz» konstatierte Bundesrätin Digital Doris Leuthard, dass der Bildungssektor nun gerüstet sei für die Digitalisierung. Das war 2007. Neun Jahre später erscheint diese Schlussfolgerung, mit einigen Ausnahmen, etwas voreilig. Auch der frühere Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand forderte 2016 am Swiss Economic Forum, dass alle in der Schule programmieren lernen sollten. Doch reichen solche Erklärungen, um wirklich etwas zu bewegen? Ist der Bildungssektor für die Digitalisierung bereit? Diese Frage beschäftigt uns bei der Fachkommission Bildung von asut nicht zuletzt unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.

Wie kann die Digitalisierung von öffentlichen Schulen in einem föderalen System vorangetrieben werden? Ich habe dazu drei konkrete Vorschläge.

Rolle und Kompetenzen von Lehrpersonen

Sicher kennen Sie den Begriff „Digital Natives“.  Für den Lehrer und Blogger Philipp Wampfler ist der Begriff fehl am Platz. Er ist überzeugt, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Geburtsjahr, einen «selbstverständlichen Umgang» mit digitalen Angeboten erwerben können. Wampfler hält in seinem Buch «Generation Social Media» zudem fest, dass «zwischen den spielerischen automatischen Lernprozessen und dem bewussten Gestalten von Lernumgebungen, in denen dank Begleitung erfahrener Coaches Grundfertigkeiten sicher angeeignet werden können» unterschieden werden muss.

Lehrpersonen sind damit konfrontiert, dass bereits Siebenjährige ihre digitalen Gadgets äusserst virtuos bedienen. Dieses genuine Nutzungsverhalten ist aber nicht mit Medienkompetenz gleichzusetzen. In diesem Bereich können sich Lehrpersonen als Gestalter von digitalen Lernprozessen positionieren. Orientierungshilfe geben dabei die Leuchttürme der digitalen Bildung, wie sie beispielsweise an der Primarschule in Arth-Goldau oder im Schulhaus Moosmatt in Luzern zu finden sind. Bei der Umsetzung des Lehrplans 21 in den Kantonen muss bei der Schulung von Lehrpersonen deshalb auf die Trends der Digitalisierung reagiert werden: Lehrpersonen brauchen Kompetenzen des 21. Jahrhunderts.

Kompetenz immer vor Technologie

Erinnern Sie sich an das Sprachlabor in der Oberstufe und die 386er-Kisten im Computerzimmer? Diplomatisch ausgedrückt war der pädagogische Mehrwert dieser Investitionen bescheiden. In den letzten 25 Jahren hat man sich jedoch hauptsächlich um die Frage gekümmert, welche Technologie ins Schulzimmer soll. Der Global ICT Report 2015 des WEF kommt zu einer interessanten Erkenntnis: Lehrpersonen müssen zuerst über entsprechende pädagogische und didaktische Fähigkeiten verfügen, bevor sie den Unterricht digital gestalten können. Hier sind angepasste Angebote in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen unabdingbar. Die Pädagogische Hochschule Zürich zeigt, wie das geht: In den fünf Weiterbildungsmodulen des Bildungsganges SAMT erhalten die Kursteilnehmenden Impulse und Ideen für den Einsatz von Tablets im Unterricht.

Digitales Lernmaterial

Haben Sie schon mal gesehen wie die Jungmannschaft 2016 ihre Hausaufgaben erledigt? Der Schnellste versendet ein Foto mit den Lösungen, der Rest der Klasse applaudiert im Whats-App-Gruppen-Chat. Die Frage ist nun, ob sich die Lehrpersonen oder die Schülerinnen und Schüler anpassen müssen. Ein Handy gehört heute zum Alltag – es muss also in den Lernalltag der Schule eingebaut werden. Das Smartphone im Schulzimmer zu verbieten ist keine zielführende Lösung.

Damit digitale Geräte im Unterricht verwendet werden können, sind zeitgemässe digitale Lernmittel nötig. Es braucht Lern- und Lehrplattformen im Internet. In einem föderalen Bildungssystem mit kantonalen Lehrmittelverlagen wird das eine anspruchsvolle und kostenintensive Aufgabe. Momentan betreiben die kantonalen Erziehungsdirektoren ihre eigene, veraltete Lernplattform. Bund und Kantone sollten aus Gründen der Qualität und der Kosteneffizienz aber eher auf bestehende digitale Plattformen der Marktteilnehmer zurückgreifen und daraus diejenigen auswählen, die für den Schweizer Bildungssektor systemrelevant sein können. Datenschutz und Urheberrechtsfragen müssen dabei natürlich den hiesigen Gesetzen entsprechen.

Ich frage mich oft, wie die Schule in der Schweiz in 10 Jahren aussehen wird. Es wird wohl ein typisch helvetischer Kompromiss mit verschiedenen guten Lösungsansätzen sein, und, so ist zu hoffen, mit ein paar nationalen Digitalprojekten. Auf dem Weg dorthin brauchen wir einen koordinierten Effort von Schulen, Behörden, Politik und der Wirtschaft. Denn nur dann werden wir 2026 noch immer die innovativste Volkswirtschaft der Welt sein.

 

Anmerkung: Dieser Text wurde bei Asut publiziert, wo ich als Präsident der Kommission Bildung tätig bin. Der Beitrag basiert teilweise auf einem älteren Blogbeitrag von mir.